Freitag, 17. September 2004
Brennholz und Briketts an der Kinokasse
-Bürstadt und seine glorreiche Kinogeschichte-
Auch wenn heute nur hin und wieder ein mobiles Kino im BürstädterBürgerhaus Station macht gab es Zeiten, da drei Lichtspielhäuser die Besucher in Scharen anlockten. Es war noch lange bevor der Fernseher die bunte Bilderwelt in die eigenen vier Wände trug.

1909 erweiterte Johannes Mallig in der Augustinerstraße seine Gastwirtschaft um einen Tanzsaal und eine Kegelbahn. Dies waren ideale Voraussetzungen um 1911 mit seiner Frau, einer geborenen Köhler, sein Gewerbe für „Kinematographische Aufführungen“ in Bürstadt anmelden konnte. Das war für den damaligen 6.000 Seelen Ort etwas ganz Neues.

Für den damaligen Besucher war es ein gewohntes Bild, dass bevor es zur Filmvorführung kam, erst Stühle im Tanzsaal aufgestellt werden mussten. In den Zeiten „als die Bilder laufen lernten“ waren die Filme schwarz weiß und ohne Ton. Den Text konnte man entweder auf Bildtafeln zwischen den Szenen oder aber an dem unteren Bildrand mitzulesen.

Für 20 Pfennige gab es damals Filme wie „Pat und Paterchon“ zu sehen. Angekündigt wurden diese in Schaukästen, auf Plakaten und in der Bürstädter Zeitung. Im ersten Weltkrieg diente das „Kino“ allerdings als Gefangenenlager.

Die zweite Ära war ab 1928 von Sohn Johann Malligs geprägt. Oft wurden in dieser Zeit die Filme in Bürstadt von einem Geiger und einem Klavierspieler zusätzlich musikalisch untermalt. Unter ihnen übrigens der Schwiegersohn Heinrich Schaders.

Auch im zweiten Weltkrieg wurden hier Filme gezeigt, allerdings oft unterbrochen von Fliegeralarm. Es war schon ärgerlich, wenn in den spannendsten Szenen die Sirenen heulten und an den schmerzlichen und gefährlichen Alltag erinnerten. Die Menschen mussten den Kinosaal verlassen und sich in Luftschutzkeller in der Umgebung begeben. Wenn der Alarm nicht zu lange gedauert hat, dann konnte die Vorführung fortgesetzt werden.

Im März 1945 wurde das „Saalbau Kino“ durch Artillerie- Beschuß aus Richtung Worms schwer beschädigt. Familie Mallig mit Tochter Johanna, -, bauten unverzüglich das Kino wieder auf, Sohn Werner und Schwiegersohn Heinrich Schader waren noch in Kriegsgefangenschaft. Als Heinrich Schader zurück kam wurde es fertig gestellt. 1947 lief zur Premiere „ Der Schlüssel zum Himmelreich“ und zwar auf einer Breitbild-Leinwand.

Schlechte Zeiten
Die Zeiten waren hart, Brennmaterial war rationiert. Kein Wunder, dass zum Eintrittsgeld noch Kohlen, Holz oder Briketts willkommen waren, denn es musste ja im Winter bei den Vorführungen geheizt werden. 1951, nachdem in Bürstadt schon 40 Jahre Kinogeschichte geschrieben waren, wurde ein Foyer angebaut und mit roten Lederstühlen ausgerüstet. Der Film „Das Gewand“ mit Richard Burton und Jean Simons wurde 1953 erstmalig in Cinemascope einer Breitwandtechnik gezeigt.


Neues Kino
Der Familienbetrieb entschloss sich aufgrund der großen Nachfrage ein zweites Kino zu errichten. Nach dem Krieg war es dann der Sohn Werner Mallig, der am 11. April 1950 dieses Kino wieder in dem Tanzsaal der Gaststätte „Zur Rose“ in der Nibelungenstraße eröffnet hat. Zur Eröffnung gab es den Film „Taifun“ mit Lana Turner zu sehen.

In der Rose hatte bereits der damalige Besitzer Pfeifer 1928 das „Lichtspielhaus zur Rose“ mit dem Film „Die entblätterte Rose“ eröffnet. Es hatte nicht lange Bestand und wurde 1928 unter dem Namen „Capitol Lichtspiele“ neu eröffnet, aber nur bis September 1929 wurden hier Filme gezeigt, dann war hier auch wieder Schluss. Das Ende für die 1950 eröffneten Central - Lichtspiele kam im August 1985

In der Nachkriegszeit und zwar genau, am 28. Juni 1955, erhielt Bürstadt mit mitlerweile 10 500 Einwohner das „Regina Filmtheater“ von Eigner Fritz Hofmann. Es stand in der Nibelungenstraße (heute Penny Markt) bei dem ehemaligen Baumaterialen Händler- Siegler. Eröffnungsfilm in Farbe war „Die Welt gehört der Frau“ mit Clifton Webb.
Doch die Kinoära in Bürstadt sollte nicht allzu lange andauern. 1983 wurden die Saalbau Lichtspiele nach 72-jähriger Geschichte geschlossen. Es war mit 500 Sitzplätzen eines der modernsten und größten Kinos. Heute gibt es in Bürstadt keine Lichtspielhäuser mehr. Die Wochenschau wird im Fernsehen durch die "Tagesschau" ersetzt.

Bild oben: Gasthaus zum Saalbau in der Augustinerstrasse - hier war das erste Bürstädter Kino (1900)
Bild unten: Blick in den Kinosaal des Sallbaus (um 1960)

Drucken

Schreiben Sie einen Kommentar!